Hologramm
Unterpunkt zu: Bildmedien
Definition und GliederungDie Holographie ist das Verfahren, die Interferenzmuster, welche sich bei der Überlagerung von zwei kohärenten Wellenfronten ergeben, aufzuzeichnen. Die fotografische Aufzeichnung dieser Muster wird Hologramm genannt. Ein solches Hologramm erlaubt die Rekonstruktion der Objektwelle, d.h. eines dreidimensionalen Bildes des aufgezeichneten Gegenstandes. Dieses ungewöhnliche Verfahren wurde um 1948 von Denis Gabor theoretisch entworfen. Seit der Entwicklung des Laserlichts Anfang der 1960er Jahre kommt es in zahlreichen, keineswegs nur im engeren Sinne bildlichen, Verfahren zum Einsatz. Die holographischen Bilder weichen in vielerlei Hinsicht von allen anderen bekannten technischen Bildern ab und waren bislang kaum Gegenstand der kunst-, medien- oder bildwissenschaftlichen Forschung (vgl. aber neuerdings [Rieger & Schröter 2009a]Rieger, Stefan & Schröter, Jens (Hg.) (2009): Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin.
Geschichte und Verfahren[1]Die epistemologische Bedingung der Möglichkeit der Holographie liegt in der Beschreibung des Lichts als transversaler Wellenfront, also in der Wellenoptik. Diese Beschreibung wurde schon im 17. Jahrhundert von Christiaan Huyghens vorgeschlagen, da Phänomene wie die Beugung mit dem zu dieser Zeit dominierenden Modell der geometrischen Optik (Licht als Bündel gerader Lichtstrahlen; oder als Strom von Partikeln auf gerader Bahn) nicht erklärbar waren. Zunächst konnte sich diese Beschreibung aber nicht durchsetzen.
Erst als Anfang des 19. Jahrhunderts Thomas Young seine Doppelspaltexperimente durchführte, wurde die Beschreibung des Lichts als Welle unabweisbar, auch wenn es noch einige Zeit und weiterer Forschung bedurfte, bis sich dieses Modell endgültig durchsetzte ([Buchwald 1989a]Buchwald, Jed Z. (1989): The Rise of the Wave Theory of Light. University of Chicago Press, Chicago. Als eigentlicher Erfinder der Holographie gilt jedoch Denis Gabor, der 1948 in «Nature» einen kurzen Aufsatz veröffentlichte, in dem es darum ging, die Begrenzung der Auflösung von Elektronenmikroskopen zu umgehen. Sein Vorschlag war, auf die Linsen (genauer: Elektronenlinsen) zu verzichten und die Aufzeichnung des Interferenzmusters zwischen der einfallenden Welle und dem vom Objekt gebeugten Teil der Welle (Objektwelle) zu nutzen, um die ursprüngliche Objektwelle später wieder zu rekonstruieren. Gabor bekam für dieses Konzept 1971 den Nobelpreis für Physik. Allerdings war sein Versuch von zwei Problemen belastet: a. Gabors experimentelle Anordnung hatte eine Inline-Struktur, d.h. die bei der Wellenfrontrekonstruktion entstehenden zwei Bilder (reelles und virtuelles Bild) überlagern sich, wodurch die Rekonstruktion verunklart wird. b. Kohärent sind zwei Wellen, wenn sie in einer festen Phasenbeziehung zueinander stehen. Gabor hatte aber keine wirklich kohärente Lichtquelle. Daher konnte er keine sehr guten Interferenzmuster erzeugen. Erst mit dem Laser, der ab ca. 1960 völlig unabhängig von den Forschungen Gabors u.a. entstand, steht eine solche Lichtquelle zur Verfügung. 1963 erzeugten dann Emmeth Leith und Juris Upatnieks mit einer Offline-Anordnung (Abb. 1, 2) und Laserlicht die ersten bildhaften Hologramme, die sofort die größte Aufmerksamkeit auf sich zogen.[4] Abbildung 1 zeigt, wie die Objektwelle des vom Objekt reflektierten (gestreuten) Laserlichts vor der hochauflösenden Hologramm-Platte mit der Referenzwelle überlagert wird. Die Platte speichert kein Bild des Objekts, sondern das Interferenzmuster, das sich visuell unter dem Mikroskop als wirre Anordnung schwarzer und weißer Linien zeigt. Zur Rekonstruktion der ursprünglichen Objektwelle wird, wie in Abbildung 2, das zur Aufnahme verwendete Licht wieder durch die Platte geleitet, wobei diese Welle an den schwarz/weißen-Interferenzmustern gebeugt und so die ursprüngliche Objektwelle wieder hergestellt wird. Es entstehen ein virtuelles und ein (pseudoskopisches) reelles Bild. Das virtuelle Bild erscheint als dreidimensionales Bild der beleuchteten Seite des Objekts. So erzeugte Hologramme kann man nicht in weißem Licht als holographische Bilder sehen – sondern nur im zur Aufnahme verwendeten Laserlicht (Laser-Transmissionslicht-Holographie). Es gibt allerdings auch noch andere geometrische Anordnungen, um Hologramme aufzuzeichnen (z.B. Denisyuk-Hologramme); Verfahren, um Hologramme herzustellen, die man auch in weißem Licht sehen kann (Volumenhologramme, Denisyuk-Hologramme gehören etwa dazu; aber auch sog. Regenbogenhologramme); Verfahren, um vollfarbige Hologramme aufzunehmen; Verfahren, um Hologramme mit Computern zu generieren oder Verfahren, um Film und Holographie zu verknüpfen (Multiplex-Holographie und holographischer Film im engeren Sinne) und vieles mehr. Sehr ausführliche und hilfreiche Erläuterungen zu all diesen Verfahren findet man bei [Johnston 2006a]Johnston, Sean (2006): Holographic Visions. A History of New Science. Oxford University Press, Oxford.
Bildliche Eigenheiten und Einsatzgebiete der HolographieDie Holographie, obwohl sie auf fotochemischen Emulsionen beruht, unterscheidet sich von konventionellen Fotografien und auch von Stereoskopien deutlich: Eine Holographie ist im Allgemeinen einfarbig – da sie mit monochromatischem Licht hergestellt werden muss.[5] Die Holographie stellt meistens isolierte Objekte in einem dunklen Umraum dar, da das Bild in absoluter Dunkelheit aufgenommen werden muss, um zu vermeiden, dass das Interferenzmuster durch Streulicht gestört wird. Holographische Bilder, sind wie die Bilder der Lippmanschen Interferenz-Farbfotografie irideszent, d.h. sie erscheinen nur aus bestimmten Blickwinkeln bzw. können ihre Farbigkeit je nach Blickwinkel verändern (siehe etwa holographische Kopierschutzelemente auf Banknoten). Holographien können außerordentlich plastisch wirken, man kann die abgebildete Seite der Objekte aus verschiedenen Positionen betrachten und dabei verschiedene Aspekte sehen, man kann – anders als etwa bei Stereoskopien – auch verschiedene Bildebenen fokussieren.[6] Das macht Holographien im künstlerischen Bereich v.a. für installative Strategien interessant (vgl. [Schmid 2009a]Schmid, Gabriele (2009): Zwischen Bildern. Die holographische Installation als Handlungsfeld. In: Rieger, S. & Schröter, J. (Hg.), Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin. Es gibt prinzipiell keine holographischen Negative, die Bilder sind immer Positive – da eine Umkehrung des Interferenzmusters nichts an seinen Beugungseigenschaften ändert. Auf jeder holographischen Platte können durch leichte Veränderung der Frequenz des kohärenten Lichts bzw. durch Veränderung des Einfallswinkels des Referenzstrahls im Prinzip beliebig viele Bilder gespeichert werden, die sich gegenseitig nicht stören – das ist genau die Eigenschaft, welche man seit Jahrzehnten als Ausgangspunkt für holographische Speichermedien zu nutzen gedenkt.[7] Die aufzunehmenden Objekte dürfen sich keinesfalls bewegen, so führt die leiseste Bewegung bei der Aufnahme zur starken Verrauschung bis völligen Zerstörung des Musters etc. – aber diese Störanfälligkeit des Aufzeichnungsprozesses ist zugleich Ausgangspunkt einer wichtigen Applikation der Holographie (s. unten). Allerdings ist es seit Ende der 1960er Jahre durch ebenso helle wie kurz gepulste Laser möglich, auch bewegte Objekte, wie etwa lebende Menschen, aufzunehmen. Aber vor allem: Die Holographie benötigt keine Linse. Sie kennt daher keine Probleme mit abnehmender Tiefenschärfe; sie kann nur Objekte zeigen, die (je nach Abstand) der Größe der Platten entsprechen, da ohne Linse auch nicht verkleinert und vergrößert werden kann. In gewisser Weise ist ein Hologramm selbst eine hochkomplexe Linse – denn so wie gewöhnliche Linsen das Licht fokussieren, so beugt das Hologramm das Licht, um die Wellenfront zu rekonstruieren. Das holographische Bild unterliegt nicht der geometrischen Optik, bzw. der perspektivischen Projektion, und der damit gegebenen 1:1-Korrelation von Bild- und Objektpunkten – wie sie für analoge wie digitale Fotografie, Film, Video und sogar für die heute dominanten (‘fotorealistischen’) Formen der Computergraphik beherrschend ist. Vielmehr ist jeder Objektpunkt mit jedem Bildpunkt korreliert. Das führt zu einer weiteren eigentümlichen Eigenschaft des holographischen Bildes: Jeder Splitter einer zerbrochenen Hologramm-Platte enthält das gesamte Bild, wenn auch mit proportional zur Teilgröße fallender Auflösung und eingeschränktem Blickwinkel. Der Informationsgehalt holographischer Aufzeichnungen ist mithin enorm, was noch auf lange Zeit den Versuchen holographisches Fernsehen zu etablieren, im Wege stehen dürfte. Durch ihre zahlreichen eigentümlichen Eigenschaften stellen holographische Bilder ein erhebliches Irritationspotenzial für die Medien- wie Kunst- und Bildgeschichte bzw. -theorie dar. In Geschichten optischer Medien taucht die Holographie nicht auf. Einerseits könnte das daran liegen, dass die meisten Formen von Medien-, Kunst- und Bildwissenschaft um das System der Massenmedien bzw. das Kunstsystem[8] (Luhmann) zentriert bleiben und daher Verwendungsweisen technologischer Bildmedien außerhalb dieser Systeme kaum in den Blick nehmen. Andererseits finden sich oft methodische Voraussetzungen, die die Holographie von vorneherein exkludieren. So schreibt Friedrich Kittler in seinem Buch «Optische Medien» über „Linsensysteme, wie alle optischen Medien bis heute sie voraus[setzen]“ ([Kittler 2002b]Kittler, Friedrich (2002): Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999. Merve, Berlin. a. Die Störanfälligkeit des Aufzeichnungs- und Rekonstruktionsprozesses kann genutzt werden, um die inneren Eigenschaften und Spannungszustände von Bauteilen und anderen Materialien sehr genau zu analysieren (Holo-Interferometrie). b. Da die Wellenoptik epistemologisch die geometrische Optik einschließt, können wellenoptische Medien alle auf geometrischer Optik basierenden Bildtechnologien einschließen, aber umgekehrt können auf geometrischer Optik basierende Bildtechnologien nicht die wellenoptischen Technologien einschließen, d.h.: b.1 Es gibt die Möglichkeit, komplexe geometrisch-optische Anordnungen (Linsensysteme) holographisch abzubilden (‘Holographisch-Optische Elemente’), was bedeutet sie platzsparend nutzen zu können. Dies kann z.B. für optische Systeme in Satelliten wichtig sein und wird auch in manchen Formen alltäglicher Scannerkassen eingesetzt. Mit computergenerierten Hologrammen können überdies optische Systeme erzeugt werden, die nicht physikalisch, also mit Linsensystemen, herstellbar sind. b.2 Viele Eigenschaften wellenoptischer Bilder (Irideszenz, dreidimensionaler Bildeindruck) sind mit geometrisch-optischen Technologien (z.B. den optischen Systemen in Fotokopierern) nicht reproduzierbar, daher haben Holographien (und auch die Lippmann-Fotografie) ein wichtiges Einsatzfeld auf dem Gebiet der Echtheitssicherung (Hologramme auf Geldscheinen, Kreditkarten, staatlichen Dokumenten, Originalverpackungen etc., vgl. [Schröter 2009d]Schröter, Jens (2009): Das holographische Wissen und die Nicht-Reproduzierbarkeit. In: Rieger, S. & Schröter, J. (Hg.), Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin.
Holographische MetaphorikDie eigentümlichen Eigenschaften der Holographie haben immer wieder und auf verschiedene Weise ihre Nutzung als Metapher nahegelegt. So wurde sie a. Metapher für den vollendeten Illusionismus, in dem die Bildlichkeit sich selbst aufhebt (was auch immer wieder als Argument gegen ihre Kunstwürdigkeit verwendet wurde). In populären Science Fiction-Formaten wie «Star Trek – The Next Generation» spielen Bezeichnungen wie das »Holodeck« – eine fiktive technische Vorrichtung, die eben einen solchen vollendeten Illusionismus ermöglicht – auf die Holographie an. b. Metapher für andere Formen der Speicherung bzw. des Gedächtnisses, die eine Totalität zu speichern vermögen. Stefan Rieger ([Rieger 2009a]Rieger, Stefan (2009): Holographie. Das Versprechen der Ganzheit. In: Rieger, S. & Schröter, J. (Hg.), Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin. |
Anmerkungen
Literatur
[Bousso 2002a]Bousso, Raphael (2002): The Holographic Principle. Reviews of Modern Physics, 74.[Buchwald 1989a]Buchwald, Jed Z. (1989): The Rise of the Wave Theory of Light. University of Chicago Press, Chicago.[Fox 2006a]Fox, Mark (2006): Quantum Optics. An Introduction. Cambridge University Press, Oxford.[Johnston 2006a]Johnston, Sean (2006): Holographic Visions. A History of New Science. Oxford University Press, Oxford.[Jung 2003a]Jung, Dieter (Hg.) (2003): Holographic Network. Rasch, Bramsche.[Kittler 2002b]Kittler, Friedrich (2002): Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999. Merve, Berlin.[Rieger & Schröter 2009a]Rieger, Stefan & Schröter, Jens (Hg.) (2009): Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin.[Rieger 2009a]Rieger, Stefan (2009): Holographie. Das Versprechen der Ganzheit. In: Rieger, S. & Schröter, J. (Hg.), Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin.[Schmid 2009a]Schmid, Gabriele (2009): Zwischen Bildern. Die holographische Installation als Handlungsfeld. In: Rieger, S. & Schröter, J. (Hg.), Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin.[Schröter 2009c]Schröter, Jens (2009): 3D. Zur Theorie, Geschichte und Medienästhetik des technischtransplanen Bildes. Fink, München.[Schröter 2009d]Schröter, Jens (2009): Das holographische Wissen und die Nicht-Reproduzierbarkeit. In: Rieger, S. & Schröter, J. (Hg.), Das holographische Wissen. diaphanes, Zürich, Berlin.[Schröter 2010b]Schröter, Jens (2010): Das Zeitalter der technischen Nicht-Reproduzierbarkeit. Navigationen. Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften, 10, 1. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Dank an die konstruktiven Beiträge von:
Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra, Dimitri Liebsch, Simon Ruschmeyer und Marcel Lemmes — (Hinweis) Zitierhinweis: |